BLÜTEZEIT DER STADT Um 1300 war das Stadtgebiet weitgehend befestigt und die «Neuenstadt Holzbrunnen» rechtlich in die Stadt Burgdorf integriert. Die ummauerte Siedlung war nun um 3 Hektaren gewachsen, verfügte über zwei neue Tore und wurde im Norden, Westen und Süden durch zwei eckige Wehrtürme und neun Halbrundtürme zusätzlich geschützt. Ebenfalls in der Unterstadt entstanden ein Spital, das Franziskanerkloster und in der nordwestlichen Ecke ein befestigter Stadthof des Benediktinerklosters. In der Oberstadt standen ein Kaufhaus und ein Kornmarkt, der wichtigste Gasthof Krone sowie die sogenannte Brot- und die Fleischschal, welche die «offiziellen» Verkaufsstätten für Brot und Fleisch waren. Das Selbstbewusstsein der Stadtbevölkerung gegenüber der Herrschaft auf dem Schloss war gewachsen, in dem Masse wie der in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts amtierende Neu-Kiburger Graf Eberhard II. in Geldnot geriet. Er war auf die Loyalität seiner Untertanen angewiesen, was die Stadt geschickt auszunutzen wusste. Der städtische Rat rang dem Grafen immer mehr Zugeständnisse ab, die insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung beförderten. Zahlreiche Rechte und Güter aus kiburgischem Besitz gelangten in die Hände der Stadt. Nach und nach übernahm sie vom geschwächten Grafen den Besitz der Allmenden, der Wälder rund um Burgdorf, den Jahrmarktszins, die Zolleinnahmen und weitere Vorrechte. Zudem erweiterte die Stadt ihr Einzugsgebiet, indem sie Ausburger aus der näheren Region aufzunehmen begann. Bedingung war, dass diese Landleute entweder Grundbesitz im städtischen Bezirk hatten oder ein Pfand auf einer städtischen Liegenschaft, ein sogenanntes Udel, hinterlegten. Die Ausburger bescherten der blühenden Stadt zusätzliche Steuereinnahmen, die für den Ausbau der Infrastruktur eingesetzt werden konnten. DIE BÜRGERSCHAFT ALS GESTALTENDE KRAFT Ausdruck des neuen Selbstbewusstseins der Bürgerschaft waren auch die geplante Erneuerung der Stadtkirche und der Bau von repräsentativen Tortürmen bei den älteren Stadttoren. Dass die Bedeutung des städtischen Rats markant gewachsen war, beweist auch die Tatsache, dass er 1346 das Haus an der Ecke Kirchbühl / Hohengasse, ehemaliger Stadtsitz der Herren von Eriswil, kaufte, um darin das Rathaus einzurichten. Der Niedergang der Neu-Kiburger führte letztlich zum Burgdorferkrieg und endete im Verkauf Burgdorfs an den Stadtstaat Bern. Mit der Grafenfamilie verschwanden auch viele der adeligen Dienstleute, weil sie unter der Herrschaft Berns keine feudale Zukunft mehr erwarten konnten. Dies führte kurzfristig zu einer Verlangsamung des wirtschaftlichen Aufschwungs und zur Abwanderung von etlichen Handwerkern, die von den Aufträgen des gräflichen Hofs abhängig gewesen waren. Gleichzeitig ermöglichte der Wegzug der Dienstleute den aufstrebenden Bürgern oder Ausburgern Stadthäuser zu erwerben und darin ein Gewerbe aufzubauen. Der Wechsel unter die bernische Regentschaft war ein Segen für die damalige Entwicklung eines selbstbewussten und engagierten Bürgertums. Bern betrieb im Gegensatz zu den Grafen eine langfristige Territorialpolitik und liess die Burgdorfer Oberschicht, die aus eingesessenen und zugezogenen Handwerker- und Kaufmannsfamilien bestand, landwirtschaftlich wertvollen Grundbesitz rund um die Stadt erwerben. Aus ihnen ging eine über die nächsten Jahrhunderte waltende Burgerschaft hervor, welche als erste Vorläufer der Burgergemeinde die Geschicke der Stadt bis weit ins 18. Jahrhundert hinein bestimmte. QUELLEN: Armand Baeriswyl: Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im Mittelalter (2003) Anne-Marie Dubler: Die Rechtsquellen der Stadt Burgdorf und ihrer Herrschaften und des Schultheissenamts Burgdorf (1995) Jürg Schweizer: Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern, die Stadt Burgdorf (1985) Claude Lapaire: Die Siegel des Archivs der Burgergemeinde Burgdorf (1968) Johann Rudolf Aeschlimann: Geschichte von Burgdorf und Umgegend (1847)
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