meinde ansässig waren, erhielten somit automatisch das Bürgerrecht. Damit fiel das Armen-, Fürsorge- und Vormundschaftswesen in die Verantwortung der Burgergemeinde. Zur Finanzierung dieser Ausgaben wurden in der Folge verschiedene Fonds wie das «Armengut» und das «Waisengut» eingerichtet. Eine Armenkommission entschied jeweils über die Verwendung der daraus verfügbaren Mittel. WENDEPUNKT NACH EINFÜHRUNG DER BERNISCHEN VERFASSUNG Mit der Einführung der Bernischen Staatsverfassung von 1831 änderte sich die Rolle der Burgergemeinde grundlegend. Die neue Verfassung regelte die faktische Trennung von Burgergemeinde und politischer Gemeinde, d.h. der heutigen Einwohnergemeinde. Die Aufgaben dieser fortan nebeneinander existierenden Institutionen wurden strikt aufgeteilt und die politische Macht in die Einwohnergemeinde überführt. Die Burgergemeinde behielt im Gegenzug Teile ihres Besitzes und darunter auch die für die Fürsorge eingerichteten Güter. Mit dem Armengesetz von 1857 ging im Kanton Bern die Fürsorge definitiv von der Heimatgemeinde in die Kompetenz der Einwohnergemeinde über. Erst später, mit dem Aufkommen der Arbeiterbewegung und der Industrialisierung, übernahm der Staat nach und nach das gesamte Fürsorge- und Sozialwesen. Die Fürsorge wurde vereinheitlicht, und gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden schliesslich die ersten Sozialversicherungen. SOZIALHILFE FÜR BURGER UND BURGERINNEN Das Engagement der Burgergemeinde im Bereich des Sozialwesens beruht mittlerweile auf freiwilliger Basis. Sie leistet heute nach wie vor die Sozialhilfe für alle Burgdorfer Burger mit Wohnsitz im Kanton Bern. Unter der Verantwortung des Burgerrates betreut eine dipl. Sozialarbeiterin das burgerliche Sozialwesen gemäss den geltenden Gesetzesbestimmungen. Im vergangenen Jahr 2021 empfingen rund 10 heimatberechtigte Personen Sozialhilfe, darunter auch zwei alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern. Die Unterstützung im Umfang von rund 320‘000 Franken richtet sich grundsätzlich nach den Vorgaben des kantonalen Sozialhilfegesetzes. Die benötigte Summe wurde aus dem Zinsertrag und einer Kapitalentnahme aus dem Fürsorgegut finanziert. Dieses Fürsorgegut wiederum wird unter anderem durch die Aufnahmegebühren ins Burgerrecht gespiesen. BURGERLICHE KINDES- UND ERWACHSENENSCHUTZBEHÖRDE Bis 1994 führte die Burgergemeinde eine eigene Vormundschaftskommission. Sie war die gesetzliche Vormundschaftsbehörde für alle im Kanton Bern wohnhaften Burgdorfer Burger und besorgte das Vormundschaftswesen gemäss den gesetzlichen Vorgaben. So entschied sie über den Einsatz des Amtsvormunds, überwachte dessen Amts- und Geschäftsführung und verwaltete oder verwahrte nach Bedarf die Wertschriften der ihr unterstellten Vormundschaften. Im Rahmen der Neuordnung der Fürsorge- und Vormundschaftspflege wurde diese Kommission 1994 aufgehoben und die entsprechenden Kompetenzen vorerst dem Burgerrat übergeben. Heute werden all diese Aufgaben von einer externen burgerlichen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (bKESB) übernommen. Die fünf Burgergemeinden Bern, Biel, Bözingen, Burgdorf und Thun sowie 13 Gesellschaften und Zünfte von Bern schlossen sich nach Inkrafttreten des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts in einem gemeinderechtlichen Zusammenarbeitsvertrag zusammen, um diese burgerliche KESB zu bilden. Der Sitz der Organisation ist seit 2013 die Burgergemeinde Bern. Kinderreiche Arbeiterfamilien konnten sich ihren Lebensunterhalt oft nicht selbst verdienen.
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